Zum Projekt



Barbie und Ken


Alle Kinder spielen Barbie und Ken.

In jedem Spielwarengeschäft erhältlich, ersetzen diese beiden Puppen-Charaktere in unserer post-industriellen Gesellschaft archaische Paare, wie "Josef und Maria" , "Adam und Eva" oder einfach nur "Mann und Frau". Barbie und Ken sind jenes Paar, mit dem die Kinder unserer Zeit als Rollenmodell konfrontiert sind: groß, blond, schlank, modisch, makellos. Barbie und Ken verkörpern Gesundheit und Normalität. Barbie und Ken verkörpern geschlechtslose Sexualität: Ihre fiktive Romanze kommt ohne Geschlechtsteile aus, eine absolut klassisch inszenierte Heterosexualität. Eine, die nicht einmal definitv die Kategorien weiblich und männlich zitieren muß und dennoch (oder deshalb) jenseits jeder Ambiguität steht. "Barbie und Ken sind HIV-positiv". Diese Aussage konstituiert gleichzeitig ein Paradoxon und einen Tatbestand für die Projektionsobjekte. Das Paradoxon: Puppen können nicht mit HIV infiziert werden. Der Tatbestand: HIV betrifft Menschen! "Barbie und Ken" als Metapher für alle Menschen, egal welcher Klasse, Ethnizität, Konfession, Kultur oder sexuellen Orientierung.



Alltagsgegenstände
Die Alltagsgegenstände sollen besichtigt und begriffen werden.

Die Alltagsgegenstände der HIV-positiven bzw. AIDS-kranken Menschen sind direkte Symbole der Berührung. "Kunst ist Wahrnehmung, Wahrnehmung ist Berührung, Berührung ist Sexualität" (franz wassermann in einem unveröffentlichtem Interview mit Heidrun Sandbichler, Innsbruck 1995). Diese zentrale Aussage des Künstlers, schon in vorangegangenen Projekten zur Realisierung gebracht, bildet auch in "Barbie und Ken sind HIV-positiv" den grundlegenden Denkansatz. Berührungen bzw. Nicht-Berührungen und Berührungsängste bilden den Fokus in der Auseinandersetzung mit AIDS. "Berührungsobjekte" versinnbildlichen die tägliche Konfrontation mit der Krankheit. Ungefährliche Gegenstände (im Sinne von Gegenständen, die nicht Virusträger sein können) werden in den Kontext von Gefahr gebracht. Sie erhalten neuen Sinn und werden zu polyvalenten Kunstobjekten stilisiert.



Klarsichthüllen: durchsichtig und verschweißt
Kein Hautkontakt ist möglich.

Die Gegenstände werden in Klarsichthüllen eingeschweißt und in einem Aktenordner gesammelt - Beweisstücke verschiedener Biographien. Überzogen von durchsichtigem Material können die Gegenstände besichtigt und begriffen werden. Durch die absurde Sicherheitsvorkehrung des Einschweißens wird Gefahr assoziiert, wo keine ist. Dieser Widerspruch wird zur Metapher für Isolation. Wir berühren nicht Geldscheine, Besteck oder Kugelschreiber. Wir begreifen plötzliche Tabus wie körperlichen Verfall, Sexualität und Tod.


Zuwendungsauforderungen.
BeschauerInnen reagieren.

Hunderte Zuwendungsaufforderungen (z.B. trage mich, rasiere mich, fessle mich ...) werden mit roter Druckschrift auf Klebefolien kopiert, ausgeschnitten und auf Klarsichthüllen montiert. Die Irritation zwischen Text und eingeschweißtem Gegenstand erzeugt Spannungen.


Der Grüne Punkt.
Information für die einen bedeutet Isolation für die anderen.

Die Hüllen werden mit grünen Punkt versehen, der in Kliniken und Gefängnissen infektiöses Material, Karteikarten und Akten von HIV-positiven Menschen markiert. Dieser güne Punkt wird plötzlich Alltagsgegenstand für Betroffene, wie der Geldschein, der Löffel, der Kugelschreiber. Er funktioniert als Markierung. Ein Tatbestand, der einen verallgemeinerbaren Mechanismus dokumentiert. Der Künstler wählt als Stigma den grünen Punkt, der, in der Stadt in der er lebt, verwendet wird. Er steht als Symbol für eine Kennzeichnung, wie sie weltweit in unterschiedlichsten Formen gehandhabt wird.


Akten
Ein Depot.

Die Klarsichthüllen werden in Aktenordnern archiviert und fungieren somit als "lose Blätter" in einer frei-kombinierbaren Biographie. Die Akten sammeln die Beweisstücke, jede Illusion von Fiktionalität wird aufgehoben. Das Leben als Sammelsurium von gehorteten Objekten, der Aktenordner als Behälter von biographischen Fragmenten.

Öffentlicher Raum: Orte.


AIDS betrifft alle im selben Maß zur selben Zeit: jetzt.

Um eine Isolierung des Projekts im geschützten Kunstraum zu verhindern, wird der öffentliche Raum als Ausstellungsort besetzt. Geschäfte, Restaurants, Banken, öffentliche Gebäude und Medien fungieren als Schauplätze der Berührung. Der grüne Punkt auf dem Plakat stellt die informative Verbindung zu den Objekten her und dient so als all-präsenter Verweis. Das Kunstprojekt wird zeitgleich in mehreren Städten stattfinden.

Öffentlicher Raum: Internet.


Weltweiter ZuGriff.

Im Internet wird ein Forum eingerichtet, das die Möglichkeit der Kommunikation zum Projekt anbietet. Das Kunstprojekt wird laufend dokumentiert und aktualisiert.


Öffentlicher Raum: Medien.


Eine PrivatSache.

Fernsehen: Die Objekte werden in Fernsehstudios montiert. Zeitungen: Fotos von einzelnen Objekten werden zusammen mit Kommentaren Betroffener während der Aktion veröffentlicht. Der öffentliche Raum wird durch die Medien ins Wohnzimmer transportiert.


T-Shirts: auf Haut.

Das Zeichen der Isolation wird zur MassenBewegung.

Dieses Projekt kann auf der eigenen Haut getragen werden. Die TrägerInnen agieren als Teile des Projektes selbst. Das Stigma der HIV-Infektion wird ästhetisiert, dadurch thematisiert und somit in den Alltag transportiert.


Dokumentation.
Das Projekt wird begleitend in einer Katalogmappe (Aktenordner) dokumentiert. Die Aktionen im öffentlichen Raum werden mit Videotechnik aufgezeichnet.


copyright franz wassermann


idea and realization: edit'the'web:
franz wassermann thomas spielhofer